Vor Kurzem haben Robert Kretschmer und Johannes Teichert an dieser Stelle ihr USB-Modell für eine Reform der akademischen Karrierewege vorgestellt. Grundsätzlich gibt es nach diesem Vorschlag, den die beiden auch schon als Gastbeitrag im Blog von Jan-Martin Wiarda erläutert hatten, nach der Promotion drei Wege, wie die wissenschaftliche Karriere weitergehen kann: die Professur, die unbefristete Mitarbeiterstelle oder das Ausscheiden aus der Wissenschaft. Diese Optionen gibt es im gegenwärtigen System auch schon. Der Unterschied ist nun aber, dass Kretschmer und Teichert einen am Tenure Track orientierten Prozess vorschlagen, der die Unwägbarkeiten, die heute in dieser Hinsicht herrschen, durch ein transparentes und zuverlässiges Verfahren ersetzen soll: Nach der Promotion treten alle, die sich auf den Weg einer wissenschaftlichen Karriere machen, zunächst eine Tenure-Track-Stelle an. Nach dreieinhalb Jahren folgt eine erste Evaluation, die die grundsätzliche Entscheidung über den Verbleib in der Wissenschaft fällt. Mit anderen Worten: Fällt die Evaluation negativ aus, verlässt die Person die Wissenschaft. Andernfalls wird die Stelle verlängert und nach zwei Jahren schließt sich eine Endevaluation an, in der bestimmt wird, ob ein*e Wissenschaftler*in eine Professur erhält oder stattdessen eine unbefristete Mitarbeiterstelle bekommt.
Dieses Modell hat ganz klar viele Vorteile gegenüber dem Status quo. Geht man davon aus, dass die Evaluationen nach vorher festgelegten eindeutigen Kriterien und mit externer Beteiligung erfolgen, schafft das USB-Modell deutlich mehr Sicherheit für diejenigen, die nach der Promotion weiterhin in der Wissenschaft arbeiten. Spätestens nach einer dreieinhalbjährigen Postdoc-Phase können sie sicher sein, dass sie eine unbefristete Perspektive bekommen – die Frage ist nur noch, auf welcher Ebene, ob als Professor*in oder wissenschaftliche Mitarbeiter*in. Dass sich die Kandidat*innen auch selbst vorab für eine unbefristete Stelle entscheiden können, gibt ihnen definitiv mehr Handlungsspielraum. Auch die Verbindung mit Mentoring ist zu begrüßen.
Insbesondere ist zu hervorzuheben, dass mit dem USB-Modell ein Vorschlag für eine Personalreform vorliegt, der sich verhältnismäßig gut in das bisherige System einfügen ließe, was eine Umsetzung erleichtert und ihm sicherlich einige Fürsprache sichern wird. Dennoch kann genau darin auch ein Problem bestehen: Denn im Kern bleibt auch beim USB-Modell die bisherige stark auf hierarchische Abhängigkeit basierende Personalstruktur der deutschen Wissenschaft unangetastet. Solange sich die „Nachwuchswissenschaftler*innen“ in den Evaluationsphasen befinden – immerhin sind das im USB-Modell noch fünfeinhalb Jahre, also kaum weniger als nach WissZeitVG-Befristung –, sind sie in der Praxis von ihren Vorgesetzten abhängig und müssen sich um deren Unterstützung bemühen. Auch die Einbindung externe Gutachter*innen wird hier nur punktuell helfen, insbesondere in kleineren oder spezialisierten Fachgebieten, wo man sich untereinander gut kennt. An den Kernproblemen des gegenwärtigen Systems ändert sich so nicht allzu viel: Weiterhin wird die echte Unabhängigkeit als Forscher*in sehr spät (erst knapp sechs Jahre nach der Promotion) erreicht und die Hierarchien sowie die damit verbundene Gefahr des Machtmissbrauchs bleiben erhalten. Außerdem ist nicht zu vergessen, dass Evaluationen, ausgeweitet auf das gesamte wissenschaftliche Personal, zeitintensiv sind und somit den ohnehin schon mit Begutachtungsprozessen beschäftigten Wissenschaftler*innen einmal mehr Kapazitäten für ihre Kernaufgaben in Forschung und Lehre nehmen.
Eine nicht zu vernachlässigende praktische Frage ist überdies, wie sich die Unsicherheit umgehen lässt, welche Art von Stelle – Professur oder Angestelltenverhältnis – die Hochschulen am Ende finanzieren müssen und welches Lehrdeputat daraus generiert wird. Im Augenblick wird eine solche Flexibilität (die freilich im Prinzip wünschenswert wäre) von festen Stellenplänen und dem Kapazitätsrecht verhindert: Wie soll ein Institut, das eine Leitungskraft und Vorlesungen braucht, damit umgehen, wenn sich die dafür vorgesehene Person dann doch für die Mitarbeiterstelle entscheidet, gleichzeitig aber keine zusätzlichen Mittel da sind, um das zu kompensieren?
Es braucht deshalb ein weit weniger starres Karrieremodell, das es ermöglicht, von unbefristeten Stellen in Leitungspositionen aufzusteigen bzw. sich auf diesen für andere Aufgaben weiterzuqualifizieren. Letztlich muss man viel globaler ansetzen: Qualifikation und Befristung sind zu entkoppeln. Gleichzeitig gilt es, die hierarchischen Strukturen in der deutschen Wissenschaft abzubauen und ein System zu schaffen, das endlich wieder die Qualität von Forschung und Lehre anstelle von quantitativen Kriterien wie Zitationsindices oder Drittmittelvolumina in den Mittelpunkt rückt. Es ist Zeit für eine große Gesamtreform und als Teil dieser für ein weitreichendes neues Personalkonzept, das den arbeitgebenden Institutionen einerseits Spielraum zubilligt, andererseits aber unbefristete Beschäftigung nach der Promotion zum Regelfall macht – ohne weitere Bewährungsphase.