Am 8. Juni fand an der Friedrich-Schiller-Universität Jena das 8. Symposium der Deutschen Gesellschaft Juniorprofessur (DGJ) unter dem Titel „Tenure Track im Praxistest: Evaluationsverfahren im Spannungsfeld von Standardisierung und Einzelfallentscheidung“ statt. Das Symposium ging der Frage nach, wie die Evaluationsverfahren von Tenure Track Professuren an verschiedenen Universitätsstandorten durchgeführt werden.
Die DGJ hatte 12 Beitragende geladen, die in mehreren Vorträgen und zwei Panelsessions verschiedene Positionen vorstellen und diskutieren sollten. Moderiert wurde das Symposium von Heike Schmoll, erfahrene Moderatorin für wissenschaftspolitische Veranstaltungen und FAZ Redakteurin
Nach einer Begrüßung durch Prof. Uwe Cantner von der FSU Jena, deren Räumlichkeiten die DGJ für dieses Symposium nutzen durfte, hob Frau Sabina Lopez Ennen vom Referat für Wissenschaftliche Karrierewege und Weiterbildung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) in ihrem Grußwort hervor, dass das Tenure-Track-Programm des Bundes seit 2017 die Perspektiven für Wissenschaftler*innen in der frühen Karrierephase verbessert und Erstberufungen in dem Programm mit durchschnittlich 36 Jahren erfolgen, 6 Jahre früher als die durchschnittliche Erstberufung auf W2-Professuren. Von den 1000 Professuren des Programms seien 670 mittlerweile besetzt, der Frauenanteil liege bei erfreulichen 48%. Zum Schluss rief Frau Lopez Ennen dazu auf, dass sich die DGJ und ihre Mitglieder in die Diskussion um die Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetztes (WissZeitVG) einbringen solle.
Der Vormittag war dem Ziel gewidmet, Schlaglichter und Perspektiven auf die Tenure-Evaluation vorzustellen. In Ihrem Vortrag ging Frau Juniorprofessorin Dr. Henrike Müller-Werkmeister von der Universität Potsdam der Frage nach, wie man neben der Qualität der Ergebnisse auch die Qualität der Experimente bewerten kann, insbesondere beim Experimentieren unter Zeitdruck, den Tenure-Track-Professor*innen spüren. Sie veranschaulichte anhand ihrer eigenen experimentellen Forschung, bei der sie ultraschnelle Laserpulse verwendet und auf die entsprechenden Großgeräte angewiesen ist, den typischen Zeithorizont bis zur Arbeitsfähigkeit eines experimentellen physikalischen Labors. So können bei anspruchsvollen Experimenten allein bis zur Fertigstellung des experimentellen Aufbaus 2-3 Jahre vergehen, was dem Zeitraum entspricht, in dem bei Tenure-Track-Professor*innen bereits die Zwischenevaluation durchgeführt wird. Frau Prof. Heike Kielstein vom Universitätsklinikum Halle hob dagegen hervor, dass Juniorprofessuren für forschende Ärzt*innen häufig unattraktiv sind, da sie als Oberärzte besser bezahlte feste Stellen und eine klare Perspektive geboten bekommen. Freiraum für die eigene Forschung bleibt allerdings selten, weshalb die Dozentin zwei erfolgreiche Programme aus Halle vorstellte: Sowohl das Clinician Scientist Programm als auch die Kombination aus einer Oberärzt*in-Stelle und einer W2-Professur bietet den jeweiligen Kandidat*innen Freiräume für wissenschaftliche Projekte.
Dr. Katharina Held vom Präsidialbüro der Universität Erfurt stellte das an ihrer Universität verwendete Modell der individualisierten Zielvereinbarung vor. Dabei werden bereits während des Berufungsprozesses auf jede*n Professor*in zugeschnittene Vereinbarungen getroffen, die Ziele der individuellen Entwicklung in den Bereichen Forschung und Lehre enthalten. Auch wird dabei z.B. die familiäre Situation der KandidatInnen berücksichtigt, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern. In der Diskussion wurde dieses Modell begrüßt, allerdings wurde darauf hingewiesen, dass es darauf ankommt, dass die vereinbarten Ziele auch realistisch sind. So überfordert z.B. die Zielvorgabe „Konzeption eines neuen Studiengangs“ neuberufene Juniorprofessor*innen in den meisten Fällen und lässt kaum noch Raum für andere Aufgaben sowie insbesondere die eigene Forschung.
Die Gegenrede hielt Professor Dr. Gerhard Kramer, Vizepräsident Forschung und Innovation der Technischen Universität München, der das TUM-Modell vorstellte, das in München seit 2012 angewendet wird und dort als zentrales Instrument im internationalen Wettbewerb um die besten Nachwuchstalente dient. Seit 2012 wurden 160 Tenure-Track-Professor*innen auf W2-Level eingestellt, mit einer Frauenquote von 38%. Die Qualität des Programms wird neben der Berufungskommission und dem Dekan der jeweiligen Fakultät auch durch das neu geschaffene TUM Appointment und Tenure Board sichergestellt. Kriterien für die Evaluation sind Leistungen in Forschung und Lehre. Mindestens einer der Bereiche muss mit „exzellent“ bewertet werden für eine positive Evaluation.
In der anschließenden Diskussion wurden einzelne Punkte nochmals hervorgehoben. Dabei wurden unter anderem Risiken in der Anfangsphase einer Juniorprofessur hervorgehoben. So kann die Bearbeitung eines Hochrisikoprojekts in einer Sackgasse enden, aus der es dann bis zur Tenure Evaluation ggf. keinen guten Ausweg gibt. Außerdem wurden Lösungswege für den Fall diskutiert, dass es zu widersprüchlichen Bewertungen im Rahmen der Tenure-Track-Evaluation kommt. Darüber hinaus ging die Runde der Frage nach, wie man gute Lehre misst und ob Studierendenevaluation tatsächlich ein geeignetes und faires Mittel dafür sind. Als weitere Evaluationskriterien wurden Lehrpreise und die Betreuung von Student*innen und Doktorand*innen genannt.
Nach der Mittagspause, die Zeit für einen intensiveren Austausch der Teilnehmer*innen und individuelle Diskussionen bot, stellte die stellvertretende Vorstandsvorsitzende der DGJ, PD Dr. Kristin Eichhorn, die Perspektive der DGJ zur Zukunft des Tenure Track vor. Sie machte unter anderem deutlich, dass die Freiheit von Forschung und Lehre gewährleistet bleiben muss und dass es zu keinem Abhängigkeitsverhältnis durch die Tenure-Kommission kommen darf. Außerdem solle der Zeitpunkt der Berufung flexibler gehandhabt werden anstelle des derzeit häufig starr angewendeten Zeitrahmens von 4 bzw. 6 Jahren nach Promotion. Kernkriterium sollte das selbständige Erarbeiten eines zweiten Forschungsthemas neben der Promotion sein. Individuelle Umstände (Familiengründung, Krankheit, etc.) sollten berücksichtigt werden. Gleichzeitig müsse darauf geachtet werden, dass die Berufung nicht zu spät erfolgt, da sonst die Entscheidung über die Entfristung zum gleichen Zeitpunkt fällt, wie sonst Erstberufungen auf W2-Professuren. Sie unterstrich außerdem, dass Tenure-Track-Programme so gestaltet werden sollten, dass Diversität und Familienfreundlichkeit gewährleistet sind. Darüber hinaus sollten Konzepte vorhanden sein, um Junior- und Tenure-Track-Professor*innen auch bei negativer Evaluation eine Karriereperspektive neben der Professur oder außerhalb der Wissenschaft zu ermöglichen.
Danach verglich Professor Dr. Martin Paul, Rektor der Ruhr-Universität Bochum, in seinem Video-Vortrag die Tenure-Track-Programme in Deutschland und den Niederlanden. Er hob vor allem die verschiedenen Karrierestufen in den Niederlanden hervor, die Karriereperspektiven abseits der Professur ermöglichen. Außerdem berichtete er, dass es in den Niederlanden kein Hausberufungsverbot gibt und dass die Universitätsallianz eigenständig Tarifverträge für ihre Beschäftigten aushandelt.
In der finalen Podiumsdiskussion wurde unter anderem gefragt, ob ein Fokus auf Diversität die Bestenauslese verhindert. Die Expert*innen waren sich einig, dass dies nicht der Fall ist und im Gegenteil der Talentpool erweitert wird. Außerdem wurde die Besetzung der Tenure-Track-Kommission kritisch diskutiert, da eine Besetzung mit fachnahen Kolleg*innen in eine ungewollte Abhängigkeit führen kann. Außerdem wurde gefragt, ob es Aufgabe der Universität sei, für Ersatzjobs bei negativer Evaluation zu sorgen. Hier wurde angemerkt, dass es vor allem wichtig sei, Transparenz herzustellen, über den Tenure-Track-Prozess und die individuellen Erfolgschancen. Außerdem sollte ein Kulturwandel erfolgen, damit Wissenschaftler*innen in einer frühen Karrierestufe erfahren, dass auch Karrierewege neben der Professur existieren.
Insgesamt hat die Tagung viele wichtige Aspekte des Tenure-Track-Verfahrens beleuchtet. Es wurde klar, dass es standortspezifische Unterschiede in der Ausgestaltung des Verfahrens gibt und sich noch zeigen muss, welche davon die erfolgreichsten sind. Spannend wird hierbei auch die Evaluation des Tenure-Track-Programms des BMBF, welche jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen wird, wenn mehr und mehr Programmteilnehmer*innen die Tenure-Evaluation durchlaufen haben.
Die DGJ dankt den Vortragenden und zahlreichen Teilnehmenden. Die Videomitschnitte zur Tagung sind unter den Links im obigen Text abrufbar.
Die Veranstaltung wurde gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung.
Foto: Anna Schroll.